Das strategische Dilemma

Fast jede Führungskraft und jeder Unternehmer wünscht sich mehr Zeit für strategisches Denken. Doch trotz dieser Erkenntnis und Absicht bleibt die strategische Arbeit allzu oft auf der Strecke. Zwei einschlägige Studien verdeutlichen dieses Dilemma.
Eine Umfrage der Management Research Group (MRG) aus dem Jahr 2013 ergab, dass 97 % von 10.000 befragten Führungskräften strategisches Führungsverhalten als entscheidend für den Erfolg ihres Unternehmens betrachten. Dennoch zeigt das "Manifest des Strategischen Denkens" des Strategic Thinking Institute, dass 96 % der Befragten angaben, ihnen fehle die nötige Zeit dafür.
Was führt zu dieser eklatanten Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit?
- Strategische Arbeit erscheint vielen nicht als produktiv genug. Wenn der Tag der strategischen Überlegungen vorbei ist, hört man oft: „Heute habe ich kaum etwas erledigt.“
- Fehlende kurzfristige Anerkennung. Der Wert strategischer Arbeit zeigt sich häufig erst nach Jahren, was sie im hektischen Tagesgeschäft wenig attraktiv macht.
- Kreativität braucht Raum. Strategische Überlegungen lassen sich kaum am überfüllten Schreibtisch zwischen E-Mails und Telefonaten entwickeln. Die Büroatmosphäre unterdrückt oft die nötige Kreativität.
- Das „Busy“-Syndrom. Viele Führungskräfte sind im Hamsterrad der Geschäftigkeit gefangen. Der Gedanke „Keine Zeit für strategische Arbeit“ wird zur Rechtfertigung für fehlende Reflexion. Studien wie die der Columbia Business School zeigen, dass Führungskräfte sich oft nicht trauen, die Zeit für strategische Arbeit freizuschaufeln, da sie sonst den Eindruck vermitteln, nicht ausgelastet zu sein.
In der MRG-Studie wird betont, wie essenziell strategisches Denken für erfolgreiche Führung ist:
- Es wurde im Schnitt als zehnmal wichtiger bewertet als andere Führungsverhaltensweisen.
- Strategisches Denken ist doppelt so bedeutend wie Kommunikation und nahezu 50-mal wichtiger als taktisches Handeln.
- Die herausragenden Führungskräfte zeichnen sich durch Weitblick, systemisches Denken und eine langfristige Perspektive aus. Sie bedenken, wie ihre Entscheidungen unterschiedliche Unternehmensbereiche beeinflussen und berücksichtigen dabei sowohl interne Abteilungen als auch externe Partner und Kunden.
Strategisches Denken als festen Bestandteil des Führungsalltags etablieren
Trotz des großen Drucks von außen und innen gibt es Möglichkeiten, Raum für strategische Überlegungen zu schaffen:
- Strategisches Denken braucht nicht immer viel Zeit. Es geht nicht um lange Sabbaticals oder wochenlange Strategieurlaube. Regelmäßige, kurze Denkpausen reichen oft schon aus.
- Der Ort macht den Unterschied. Das gewohnte Büro ist oft voller Ablenkungen. Externe, ruhige Orte können helfen, den Kopf frei zu bekommen.
- Strategie als Wertschöpfung anerkennen. Blockieren Sie Zeiten im Kalender für strategische Arbeit und werten Sie sie als wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg.
- Das „Busy“-Denken überwinden. Geschäftigkeit ist kein Indikator für Produktivität. Strategisches Denken sollte als Priorität verankert und zeitlich fest eingeplant werden.
Ansätze zur Förderung des strategischen Denkens
Um strategische Fähigkeiten zu entwickeln, braucht es mehr als bloße Techniken. Hier einige Methoden, die helfen können:
- Regelmäßige Zeiten für strategische Planung einrichten. Dies sollte ein fester Bestandteil des Führungsalltags sein.
- Relevante Informationen bereitstellen. Führungskräfte brauchen Wissen über Markttrends, Kundenbedürfnisse und die Wettbewerbslage, um über den Tellerrand hinauszuschauen.
- Transparente Kommunikation fördern. Funktionsübergreifende Teams können gemeinsam an strategischen Themen arbeiten und diese Erkenntnisse im Unternehmen teilen.
- Anerkennung für strategisches Denken aussprechen. Strategische Leistungen sollten geschätzt und honoriert werden.
- Mentoring-Programme etablieren. Ein erfahrener Mentor kann helfen, strategisches Denken zu schärfen und gezielt weiterzuentwickeln.
- Eine klare Unternehmensstrategie kommunizieren. Nur wenn alle wissen, wo es hingeht, können sie ihre Aktivitäten darauf abstimmen.
Strategisches Denken ist keine Angelegenheit, die man nebenbei erledigen kann. Doch der langfristige Wert, den es schafft, ist von unschätzbarem Nutzen für jede Organisation.
Quellen:
https://hbr.org/2018/06/if-strategy-is-so-important-why-dont-we-make-time-for-it
https://hbr.org/2016/10/make-strategic-thinking-part-of-your-job
https://hbr.org/2016/12/research-why-americans-are-so-impressed-by-busyness
https://hbr.org/2014/02/develop-strategic-thinkers-throughout-your-organization
https://www.strategyskills.com/pdf/The-Strategic-Thinking-Manifesto.pdf